Dass Amazons Seller Support verbesserungswürdig ist, dürfte jedem Seller spätestens dann klar werden, wenn das eigene Konto von Amazon gesperrt worden ist. Manch einer kommt bei dem Versuch, die Fehler, die zur Kontosperrung führten, zu beheben, bis an den Rand der Verzweiflung: mangelnde Transparenz seitens der Seller Support-Teams, fehlende und nicht ausreichend qualifizierte Ansprechpartner, zu viel Bürokratie und mangelnde Kommunikation der verschiedenen Amazon-Teams untereinander. Durch das Zusammenspiel dieser Faktoren kann es bisweilen nicht nur Tage oder Wochen, sondern Monate dauern, bis ein gesperrtes Verkäuferkonto wieder freigeschaltet wird. Die Folgen für die betroffenen Seller sind oft gravierend, bisweilen sogar existenzbedrohend.
Ein Fallbeispiel
Der in Deutschland ansässige Amazon-Seller verkauft seit mehreren Jahren auf der Online-Plattform. Seine Verkäuferleistung ist vorbildlich (1000 Punkte). Dennoch wurde kürzlich sein Verkäuferkonto gesperrt, denn Amazon hatte eine Diskrepanz zwischen den Angaben zum „Land der Geschäftsadresse“ und dem „Niederlassungsland“ des Unternehmens festgestellt. Als „Land der Geschäftsadresse“ hatte der Seller nämlich ein Nicht-EU-Land angegeben, als „Niederlassungsland“ ein EU-Land. Das Unternehmen, das seine Produkte auf der Amazon-Plattform vertreibt, hat seinen Sitz in der EU und ist eine eigenständige Tochterfirma eines Unternehmens außerhalb der EU. Daher hätte in beiden Fällen das EU-Land genannt werden müssen.
Ein einfacher Vorgang, dies zu erklären, zu korrigieren und die notwenigen Unterlagen einzureichen, um den Account wieder zu aktivieren. Könnte man meinen, doch es dauerte ganze zehn Wochen und bedurfte unzähliger Kommunikation mit verschiedenen Amazon-Teams und schließlich mehrfacher Eskalation, bis das Verkäuferkonto des Sellers wieder freigegeben wurde.
Drei Tage nachdem der Seller Nachricht von Amazon erhalten hatte, dass es eine Diskrepanz bei den Kontoangaben gab, wurde sein Verkäuferkonto gesperrt. Dieser kam der Forderung, die notwendigen Unterlagen einzureichen, um den Account wieder zu aktivieren, noch am selben Tag nach. Amazons Payments Team bestätigte die Verifizierung des Payments Accounts mit dem Hinweis, dass der Seller seine Verkaufstätigkeit auf der Plattform wieder aufnehmen dürfe.
Doch das Konto blieb weiterhin gesperrt. Über die darauffolgenden Wochen hinweg kommunizierte der Seller über die Call-Back-Funktion des Seller Performance Teams, schriftlich über den offiziellen Fall und per E-Mail mit verschiedenen Amazon-Teams, um seine Angaben zu verifizieren und das Konto wieder aktiviert zu bekommen. Und reichte dazu – mehrfach – geforderte Unterlagen und Erklärungen ein, darunter:
- Kopien des Personalausweises des CEO
- Kopien des Gesellschaftsvertrags samt Liste der Gesellschafter
- Kopien des Handelsregisterauszugs
- Nachweise des Finanzamts zur Registrierung der Umsatzsteuer-ID
- schriftliche Erklärungen für die Ursache der Diskrepanz zwischen dem „Land der Geschäftsadresse“ und dem „Niederlassungsland“
Nach mehr als neun Wochen und unzähligen E-Mails erklärte Amazon sich bereit, ein Eskalationsteam einzuschalten. Dabei wies Amazon darauf hin, dass es normalerweise nur für diejenigen Seller einen „offiziellen“ Eskalationspfad gibt, die am Amazon Verkaufspartner 360-Programm teilnehmen. Nur: Das 360-Programm ist teuer und kommt daher für viele – vor allem kleinere – Seller nicht in Frage.
Millionenverlust durch Kontosperrung
Nach 70 Tagen wurde das Seller-Konto schließlich wieder freigeschaltet.
10 Wochen Kontosperrung. 10 Wochen kein Umsatz auf Amazon. Das ist leider kein Einzelfall und für viele Seller verheerend. In diesem Fall führte die zehnwöchige Kontosperrung zu einem Millionenverlust für den betroffenen Seller.
Aber auch Amazon selbst macht durch derartige Kontosperrungen nicht unerhebliche Verluste. Zum einen durch die entgangene Provision von 15 % und zum anderen durch ausbleibende Werbeeinnahmen von – konservativ geschätzt – 5 %: Für jeden Euro Umsatzverlust auf Sellerseite bedeutet das 0,20 Euro Verlust für Amazon.
Warum gibt es keinen funktionierenden Workflow?
Mit Blick auf diese Zahlen könnte man meinen, dass Amazon selbst ein Interesse daran haben sollte, seinen Seller Support zu verbessern und einen effektiven Workflow zu etablieren, damit die betroffenen Seller ihre Konten so schnell wie möglich wieder nutzen können. Immerhin hatte der Online-Riese Internetworld zufolge allein im Jahr 2018 weltweit mehr als 250.000 von insgesamt 3.000.000 Dritthändlern gesperrt – also in etwa jeden 12. Händler. Doch für Amazon fallen die Verluste, die es durch die Kontosperrungen macht, augenscheinlich nicht sehr ins Gewicht. Im Gegensatz zu den meisten Sellern.
Amazon täte gut daran, mehr in die Zufriedenheit der Marktplatzhändler zu investieren. Denn letzten Endes werden auch die Kund:innen zufriedener sein, wenn ihre Lieblingsprodukte auf der Online-Plattform durchgängig und zuverlässig erhältlich sind und sich die Seller auf ihr Business konzentrieren können, anstatt sich mit administrativen Stolpersteinen und daraus resultierenden Existenzsorgen herumzuschlagen.
Die Einführung eines effektiven Workflows für den Umgang mit Kontosperrungen, und zwar sowohl extern mit den Sellern als auch für die interne Kommunikation der verschiedenen Teams untereinander, wäre ein wegweisender Schritt. Bis dahin bleibt den Sellern nichts anderes übrig, als ihre Accounts durch regelmäßiges Monitoring proaktiv zu überprüfen und ihre Verkäuferleistung kontinuierlich zu optimieren, um einer möglichen Kontosperrung zuvorzukommen.