Amazon Aggregatoren – rascher Aufstieg, schneller Fall?

Das Amazon-Ökosystem ist riesig und die Geschäftsmodelle, die sich rund um den Online-Riesen entwickelt haben, sind vielfältig. Das Spektrum reicht von
(Sub-)Unternehmen im Logistik-Bereich über Anwaltskanzleien bis hin zu Marketing-Agenturen und Consulting-Unternehmen. In den letzten Jahren ist ein weiteres Geschäftsmodell hinzugekommen: Amazon Aggregatoren. Diese Akquisitionsunternehmen kaufen erfolgreiche kleinere Marken auf dem Amazon-Marktplatz auf, um diese zu bündeln und zu skalieren. Bereits 2018 begann das US-Unternehmen
Thrasio damit, kleinere Amazon-Seller zu akquirieren.  

Rasantes Wachstum und enorme Investitionen 

Seit 2020 ist die Branche—nicht zuletzt durch den pandemie-geschürten weltweiten E-Commerce-Boom—rasant gewachsen: Beinahe 100 Amazon Aggregatoren sind weltweit gegründet worden. Erfolgreiche Beispiele aus Deutschland sind die Berlin Brands Group, die sich zum Ziel gesetzt hat, die europäische Nummer Eins im E-Commerce-Business zu werden, sowie SellerX, das im ersten Gründungsjahr bereits 30 Amazon-Händler aufkaufte. Das Start-Up erhielt in den ersten beiden Funding-Runden jeweils 100 Millionen Euro—eine beachtliche Finanzierung, an der sich beispielhaft zeigt, wieviel Geld in den letzten zwei Jahren in das Aggregatoren-Business geflossen ist. Insgesamt haben Amazon Aggregatoren Marketplace Pulse zufolge bisher mehr als 15 Milliarden US-Dollar an Kapital erzielt. 

Capital Raised
Source: marketplacepulse.com, 2022

Mittlerweile gibt es zahlreiche Broker wie das deutsche Unternehmen Dragonflip, die sich auf den Verkauf von Amazon-Seller Brands spezialisiert haben. Die Aggregatoren sind in der Regel an der Akquisition erfolgreicher Eigenmarken interessiert, die den Amazon-Markplatz als Hauptvertriebskanal nutzen. Amazon-Seller, die ihr Business verkaufen, können laut ecommercenews.eu mit Verkaufssummen um das Drei- bis Vierfache ihres Netto-Jahresgewinns rechnen. Ob und in welcher Form die Seller nach dem Verkauf weiterhin an ihrem Unternehmen beteiligt sind, eine Funktion übernehmen oder sich komplett aus dem Geschäft verabschieden, ist individuell verschieden und kommt sowohl auf die Motivation der Verkäufer als auch auf die Business-Strategien der Aggregatoren an. Bei einer Übernahme durch SellerX beispielsweise scheiden die früheren Besitzer:innen nach dem Exit aus. 

Nach anfänglichem Hype nun deutliche Ernüchterung 

Nach dem rasanten Aufschwung der Aggregatoren-Branche gerät diese nun ins Straucheln: Nach dem E-Commerce-Boom in den Jahren 2020 und 2021 stagniert das Wachstum der Branche derzeit. Neben dem Wegfall der positiven Sondereffekte der Corona-Pandemie sind sowohl die globalen Märkte als auch die Konsument:innen durch die aktuelle politische Lage sowie steigende Energiepreise und Inflation verunsichert. All dies wirkt sich negativ auf die Amazon Aggregatoren aus, da deren Konzept auf ein anhaltendes Wachstum der übernommenen Marken baut, welches derzeit ausbleibt. Das Handelsblatt spricht von einer „Milliarden-Illusion“. Die noch vor kurzem heiß gehandelte Branche gerät mehr und mehr in die Krise.  

Der Pionier unter den Amazon Aggregatoren, Thrasio, hat dies bereits zu spüren bekommen:  Im Mai bekam das Unternehmen mit dem Ex-Amazon Manager Greg Greeley einen neuen CEO, im selben Zug wurden zahlreiche Mitarbeiter:innen entlassen. Seitens des Unternehmens hieß es zur Begründung „…dass das Unternehmen bestimmte ´strategische und operative Änderungen´ vornehmen muss, um Thrasio auf seinem Kurs zu halten.“ Auch bei deutschen Aggregatoren wurde der Rotstift angesetzt: Im Mai kündigte SellerX rund 4% seiner Belegschaft, die Berlin Brands Group kündigte im Juni 100 Mitarbeiter:innenAuch wenn die Einsparungen nicht gleich das endgültige Aus bedeuten, so erfährt die Branche nach dem Hype der letzten zwei Jahre zurzeit eine deutliche Ernüchterung.