Langfristige Wertschöpfung. Uneingeschränkte Kundenorientierung. Mut zur Umsetzung innovativer Ideen, um Kundenbedürfnisse zu erfüllen. Das ist der Kern von Amazons „Day-1“-Mentalität, die seit mehr als zwei Jahrzehnten die Basis für Amazons Businessstrategie und Unternehmenskultur bildet.
Amazons Just Walk Out-Lösung, ein automatisierter Bezahlprozess für Kund:innen in Amazons stationären Supermärkten Amazon Go, Amazon Fresh und Whole Foods, schien das perfekte Paradebeispiel für Day-1-getriebene Innovationen. Jetzt wird Just Walk Out wieder aus den stationären Amazon-Stores entfernt.
In einem kürzlich veröffentlichten News-Post von Amazon bestätigt Dilip Kumar, Vice President, AWS Applications, den Rückzug von Just Walk Out aus Amazons Lebensmittelgeschäften. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die Technologie weiterhin an Drittanbieter verkauft wird und künftig vor allem in kleineren Geschäften wie Fanshops und Merchandise-Läden zum Einsatz kommen soll. „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Just Walk Out-Technologie die Zukunft von Geschäften mit einem ausgewählten Sortiment ist, in denen die Kund:innen einfach vorbeikommen, sich die benötigten Artikel nehmen und wieder gehen können“, so Kumar. Die KI-Technologie wird bereits in über 140 kleineren Geschäften in den USA, Großbritannien, Australien und Kanada eingesetzt.
Wie funktioniert Just Walk Out?
Hinter Just Walk Out steckt die Idee, Kund:innen das Shoppen zu erleichtern. Anstatt sich in langen Schlangen an traditionellen Kassen anzustellen, um zu bezahlen, erfolgt die Bezahlung automatisch. Die Kund:innen können mit ihren Einkäufen einfach aus dem Geschäft gehen – „just walk out“ eben.
Das funktioniert so: Durch den Einsatz von KI-basierter Technologie, Sensoren und Kameras werden die Einkäufe automatisch erfasst. Über die Amazon- bzw. jeweilige Store-App können Kund:innen ihre Artikel im Warenkorb einsehen und überprüfen. Beim Verlassen des Stores wird der Gesamtbetrag des Einkaufs automatisch abgebucht. Dazu müssen die Kunden beim Betreten des Ladens Amazon One nutzen oder ihre Store-App, eine Bank-oder Kreditkarte einscannen.
Warum wird Just Walk Out in den stationären Amazon-Läden eingestellt?
Laut einem Bericht von The Information (Paywall) Anfang April ist der Erfolg von Just Walk Out an zu geringer Kundenakzeptanz sowie Problemen bei der Technologieanwendung gescheitert. So mussten Kund:innen teilweise lange auf ihre Quittungen warten.
Zudem waren dem Bericht zufolge mehr als 1.000 Amazon-Beschäftigte in Indien im Einsatz, um die ausgewählten Artikel über Kameras zu erkennen und zu erfassen, da viele Produkte nicht zuverlässig von der KI erkannt worden seien. So mussten demnach ein Jahr nach der Einführung dieser Technologie im Jahr 2022 immer noch 70 % aller Artikel manuell identifiziert und erfasst werden. Anstelle des Einsatzes von KI wurden die Kassiervorgänge also größtenteils einfach nach Indien ausgelagert. In diesem Zusammenhang wurden auch Bedenken geäußert, dass die Kund:innen ohne ihr Wissen bzw. Einverständnis beim Shoppen über Kameras von den indischen Beschäftigten beobachtet worden seien.
Kumar weist derartige Vorwürfe in seinem Post zurück. Er räumt ein, dass Menschen an dem Just Walk Out-Prozess beteiligt sind, betont aber, dass ihre Rolle darauf beschränkt sei, Daten zum Zweck der Verbesserung der Technologie zu erfassen und nicht, um diese zu ersetzen: „Die irreführenden Berichte, dass die Just Walk Out-Technologie auf menschliche Prüfer:innen aus der Ferne angewiesen sei, stimmen nicht. Die meisten KI-Systeme, einschließlich der ihnen zugrundeliegenden ML-Modelle, werden durch die Erfassung von synthetischen (von der KI generierten) und realen Einkaufsdaten kontinuierlich verbessert. Unsere Mitarbeiter:innen sind für diesen Schritt der Benennung und der Annotation verantwortlich. Sie sehen sich keine Live-Videos von Käufer:innen an, um Einkaufsbelege zu erstellen – das wird automatisch von den Computer-Vision-Algorithmen erledigt. Dieser Prozess unterscheidet sich nicht von anderen KI-Systemen, bei denen üblicherweise menschliche Prüfer:innen eingesetzt werden, um eine hohe Genauigkeit sicherzustellen.“
Amazon Dash Cart statt Just Walk Out
Amazon setzt nun in seinen Lebensmittelgeschäften auf smarte Einkaufswagen anstelle von Just Walk Out. Die sogenannten Amazon Dash Carts basieren auf derselben Computer-Vision-Technologie wie Just Walk Out. Kund:innen können ihre Artikel in ihrem Dash Cart jedoch selbst scannen und wiegen und behalten über den Bildschirm des Einkaufwagens jederzeit den Überblick über ihren Einkauf. Auch bei diesem System entfällt das Anstehen an der Kasse. Die Kund:innen bezahlen automatisch, wenn sie den Store über die sogenannte „Dash Cart Lane“ verlassen. Kumar zufolge ist Dash Cart bereits in ausgewählten Amazon Fresh Stores und Whole Foods Märkten im Einsatz. Zukünftig soll es in allen Amazon Lebensmittelgeschäften verfügbar sein und auch auf andere Lebensmittelgeschäfte ausgeweitet werden.
Ob Dash Cart letztlich erfolgreicher sein wird als Just Walk Out und sich langfristig als „Shoppingmethode der Zukunft“ durchsetzen kann, bleibt allerdings abzuwarten.