Amazon dominiert den Onlinehandel. Nicht nur in den USA kommen sowohl Kund:innen als auch Online-Händler kaum an dem Online-Riesen vorbei, wenn sie Produkte im Internet kaufen bzw. verkaufen möchten. Seit Jahren laufen Debatten um Amazons Marktmacht, die der Konzern immer wieder missbraucht, um höhere Gewinne einzufahren—oftmals auf Kosten der Marktplatz-Händler. Viele Seller haben dies bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen, sei es durch stetig steigende Gebühren, unprofitable Rückgabebedingungen oder den Druck, immer mehr finanzielle Mittel in Werbemaßnahmen oder sonstige Dienstleistungen investieren zu müssen, um auf dem Amazon-Marktplatz bestehen zu können.
EU-Gesetz über Digitale Märkte
In der EU wurde 2022 das Gesetz über Digitale Märke (DGM) verabschiedet, welches die Geschäftspraktiken von sogenannten „Gatekeeper“-Technologieunternehmen wie Amazon, Apple und Google regulieren und für mehr Fairness im digitalen Wettbewerb sorgen soll. Das neue Gesetz soll Händler unterstützen, die auf Gatekeeper wie Amazon für ihr Business angewiesen sind, die Entwicklung von konkurrenzfähigen Innovatoren und Start-Ups vor unfairen Wettbewerbsbedingungen schützen und den Verbraucher:innen Zugang zu einer größeren Auswahl an Dienstleistern und damit einhergehend besseren und faireren Preisen ermöglichen.
Amazon im Visier der FTC
In den USA gerät Amazon immer wieder ins Visier der US Federal Trade Commission (FTC). Diese überprüft derzeit eine Reihe an Geschäftspraktiken, die möglicherweise wettbewerbswidrig sind. Ob es jedoch zu einer Kartellklage kommen wird und falls ja, auf Basis welcher konkreten Vorwürfe, ist laut Wall Street Journal bisher noch unklar. Es ist nicht das erste Mal, dass die FTC gegen Amazon ermittelt. In der Vergangenheit wurde unter anderem untersucht, ob Amazon seine eigenen Produkte gegenüber den Produkten externer Händler auf der Online-Plattform besser platziere und sich dadurch einen Vorteil verschaffe.
Responsible Online Commerce Coalition für fairere Wettbewerbsbedingungen
Aber nicht nur Behörden versuchen, gegen Amazons Missbrauch seiner Marktmacht vorzugehen. Auch manche Händler versuchen sich zu wehren. Einige boykottieren dabei Amazons Methoden, indem sie beispielsweise ihre Werbemaßnahmen komplett einstellen, um auf diese Weise Druck auf Amazon auszuüben. Allein ist es jedoch schwierig, etwas zu bewirken.
Händler aus den USA, Großbritannien und der EU schließen sich jetzt im Kampf gegen unfaire Geschäftspraktiken zusammen. Dazu wurde kürzlich die „Responsible Online Commerce Coalition“ (kurz: ROCC) gegründet, die von Kartellrechtler:innen aus den USA, Großbritannien und der EU vertreten wird. Sowohl kleine als auch größere Online-Händler können Mitglied der ROCC werden. Mehrere Unternehmen sollen bereits ihren Beitritt zugesagt haben, von einem großen börsennotierten Unternehmen bis hin zu kleinen Online-Sellern, wie Bloomberg berichtet. Viele Unternehmen trauten sich allerdings nicht, ihre Mitgliedschaft öffentlich bekannt zu geben, aus Angst vor negativen Folgen für ihr Amazon-Business.
Ziel der Koalition ist, gemeinsam gegen unfaire und zum Teil saloppe Geschäftspraktiken von Amazon und anderen großen Plattformen anzugehen. Während einzelne Seller dem Online-Riesen kaum etwas entgegenzusetzen haben, erhofft man sich durch den Zusammenschluss, mehr Druck auf Amazon ausüben zu können. 12 Grundprinzipien bilden die Basis für ihre Forderungen, von gleichberechtigtem und frei wählbarem Zugang zu der Plattform und fairen Wettbewerbsbedingungen über angemessene Gebühren und Provisionen bis hin zum Recht auf freie und umfängliche direkte Kommunikation mit den Kund:innen.
Amazon ist für seine Kundenfreundlichkeit und Kulanz gegenüber Käufer:innen bekannt. Vielleicht wird es Zeit, die gleichen Prinzipien auch seinen (ehrlichen) Sellern gegenüber anzuwenden.