Prompt statt Produktsuche: OpenAI stellt Instant Checkout vor  

ChatGPT übernimmt die Customer Journey von der Suche bis zum Checkout – Amazon gerät spürbar unter Druck

OpenAI hat die nächste Ära des AI-Commerce eingeläutet: Nach Preisvergleichen und Produktempfehlungen folgt jetzt „Buy it in ChatGPT“. Mit der neuen Instant Checkout-Funktion können Nutzer:innen Produkte direkt in ChatGPT kaufen. Aus einem Prompt zur Produktsuche wird ein direkter Kaufabschluss. Zum Start in den USA hat OpenAI zunächst Händler der Etsy-Plattform angebunden. Bald sollen mehr als eine Million Shopify-Seller folgen.

Agentic Commerce Protocol und Stripe: So funktioniert der Instant Checkout  

Ab sofort können Nutzer:innen in den USA ausgewählte Etsy-Produkte direkt in ChatGPT kaufen, ohne den „Umweg“ über eine Plattform wie Amazon oder einen händlereigenen Webshop gehen zu müssen. Stripe übernimmt die Zahlungsabwicklung und das sogenannte Agentic Commerce Protocol (ACP) sorgt für die Einbindung von Produktdaten. Produktbeschreibungen, Preise, Lagerbestände und Produktvarianten der Selling-Partner werden mittels ACP in Echtzeit an ChatGPT gespielt. Der Produktkatalog wird nicht mehr über Keywords, sondern über Gespräche durchsuchbar. Als Open-Source-Schnittstelle steht ACP künftig Händlern und Entwicklern direkt zur Verfügung. Sprich: Jede:r kann ACP nutzen und seine Produkte über ChatGPT anbieten. Damit wird ChatGPT vom reinen Informations-Tool zu einem neuen Player im Onlinehandel. 

Amazon unter Druck  

Noch vor wenigen Jahren dominierte die Suchmaschine von Google den Einstieg ins Online-Shopping, bis 2017 Amazon in den USA die klassische Google-Suche überholte. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, denn mehr als die Hälfte der Online-Shopper:innen kauft Produkte letztendlich dort, wo sie diese zum ersten Mal gesehen haben. Jetzt könnte Amazons Pole-Position in Gefahr geraten. Denn wenn Nutzer:innen ihre Einkäufe im einfachen Gespräch mit ChatGPT erledigen können, wozu sollten sie dann zusätzlich noch Online-Plattformen besuchen und Keyword-Recherchen bemühen?

Jochen Krisch von Exciting Commerce fragte sich bereits im Mai 2025, ob herkömmliche Marktplätze aufgrund der rasanten Entwicklung von AI-Shopping-Agenten bald überflüssig werden. Mit OpenAIs Release von Instant Checkout ist diese Frage aktueller denn je. Dabei hatte Krisch im Mai vor allem Amazon im Blick, das mit „Buy for Me“ einen eigenen KI-basierten Shopping-Agenten angekündigt hatte, mit dem Kund:innen direkt in der Amazon-App auch bei externen Anbietern einkaufen können. Die Funktion ist jedoch derzeit nur für eine ausgewählte Kund:innengruppe in den USA in der Beta-Version verfügbar. Und auch Amazons KI-Shopping-Assistent Rufus ist bislang noch vergleichsweise rudimentär und nur eingeschränkt integriert.

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AI-Shopping im Mainstream angekommen 

Dass Amazon OpenAIs Vorstoß nicht einfach ignorieren kann, zeigen aktuelle Zahlen: Laut einer im September veröffentlichten Studie von OpenAI wird ChatGPT inzwischen weltweit von rund 700 Millionen Menschen pro Woche genutzt, die zusammen über 2,6 Milliarden Anfragen an das Tool stellen. Rund 70 % der Nutzung fällt dabei auf private Zwecke. Eine Umfrage von CI&T unter 1.040 Konsument:innen in den USA zeigt zudem, dass bereits 74 % der Befragten zumindest gelegentlich KI-Tools in ihrer Shopping Journey nutzen. Damit wird klar: AI-Shopping ist längst bei der breiten Masse angekommen. 

Quelle: OpenAI 2025

Organische Suche statt teure Werbung 

 Mit Instant Checkout steigt der Druck auf Amazon auch an anderer Stelle, wie Marketplace Pulse analysiert: Im zweiten Quartal 2025 war Amazons Werbegeschäft mit 9,36 % Anteil am Gesamtumsatz das profitabelste Segment des Konzerns. Gleichzeitig wächst der Unmut der Seller, die sich die Sichtbarkeit auf Amazon immer teurer ersteigern müssen. ChatGPT stellt dieses Konzept jetzt infrage, denn hier zählt Kontext statt Keywords. Nutzer:innen können ihre Bedarfe in mehreren Sätzen in natürlicher Sprache detailliert beschreiben (ähnlich wie beim Voice Commerce à la Alexa). Das eröffnet gerade kleinen und spezialisierten Sellern neue Chancen, auch ohne Werbebudget gefunden zu werden – ein Comeback der organischen Suche (Organic Search), zumal KI-Agenten bislang (noch) eine Abneigung gegenüber Werbung zeigen.

Ob sich das künftig ändern wird und wie ggf. neue Werbemodelle in Zeiten von AI-Commerce aussehen könnten, bleibt abzuwarten. Bedeutsam sind Marketplace Pulse zufolge auf jeden Fall die Daten, die ChatGPT tagtäglich von seinen Nutzer:innen einholt: Milliarden dialogbasierter Vorlieben liefern OpenAI ungefilterte Insights – und damit den Rohstoff für ein neues, ultra-personalisiertes Werbemodell, das Amazons Keyword-Ads in den Schatten stellen könnte.

Ausblick 

Mit Instant Checkout schreibt OpenAI neue Spielregeln für den Onlinehandel. Amazon muss sich die Frage stellen, wie die passende Antwort auf „Buy it in ChatGPT“ aussieht. Eine Kooperation mit OpenAI? Werbung direkt in ChatGPT? Oder vielleicht doch eine eigene AI-Commerce-Lösung mit einer Erweiterung des KI-Chatbots Rufus oder des KI-Agenten „Buy for Me“? Was auch immer die Lösung, Amazon sollte besser schnell reagieren.