Just do it. Dachte sich Nike vor sechs Jahren und beendete seine Zusammenarbeit mit Amazon. Der Rückzug von der Online-Plattform war Teil einer strategischen Weichenstellung: Nike setzte damals komplett auf den Direktvertrieb (D2C). Ziel war eine ganzheitliche und enge Kundenbindung sowie ein konsequentes, unverwässertes Markenerlebnis. Die Sportmarke setzte ausschließlich auf die eigene Website, die eigene App und die eigenen Stores. Die Nike Experience. Ohne Zwischenhändler, ohne Gebühren, ohne Kompromisse.
Sechs Jahre später ist Nike zurück auf Amazon. Das Comeback (zunächst in den USA) dürfte mehr sein als ein Strategiewechsel. Es ist zugleich auch ein Eingeständnis: Die größte globale E-Commerce-Plattform lässt sich nicht einfach umgehen. Nicht einmal von einer der stärksten Brands der Welt.
Laut Stratechery war Nikes D2C-Strategie damals zwar sauber umgesetzt, aber „directionally disastrous“, sprich eine katastrophale Entscheidung in die falsche Richtung. Nike verlor an Sichtbarkeit, der eigene Online-Shop konnte die fehlende Präsenz auf Amazon nicht kompensieren und Drittanbieter dominierten dort weiterhin das Suchergebnis. Letztlich ist es doch so: Wer mit seiner Marke auf Amazon nicht vertreten ist, der denkt nur, dass er hier nicht vertreten ist. Vertreten ist er dann nämlich durch nicht-autorisierte Wiederverkäufer oder gar Betrüger, die Fälschungen verkaufen.
Die Sportmarke geriet wirtschaftlich immer mehr unter Druck: Die Nike-Aktie verlor seit 2021 rund 45 % an Wert. Wie Finanztrends berichtet, ist die Rückkehr zu Amazon auch ein Versuch, das verloren gegangene Vertrauen am Kapitalmarkt zurückzugewinnen. Und tatsächlich stieg die Aktie am Tag der Ankündigung der Entscheidung zur Rückkehr um rund 1,5 %.
Veränderte Rahmenbedingungen
Die Rückkehr dürfte – zumindest teilweise – auch mit Amazon selbst zu tun haben. Die Online-Plattform hat sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt und genau jene Schwächen adressiert, die Nike einst zum Rückzug bewegten. Eigene Brand Stores, verbesserte Tools, mehr Sichtbarkeit für First-Party-Seller (Vendoren) und nicht zuletzt die Bemühungen zur Bekämpfung von Produktpiraterie und Fälschungen machen Amazon für große Brands attraktiver denn je. Gleichzeitig ist der Wettbewerb schärfer geworden: Marken wie On oder Lululemon holen auf. Laut Sportissimi dürfte auch das den Druck auf Nike erhöht haben, sowohl Reichweite als auch Verfügbarkeit dort anzustreben, wo die Kund:innen als erstes suchen, vergleichen und oft letztlich kaufen. Und das ist und bleibt Amazon. Daran können weder politische Eingriffe und Boykotte noch die stärksten Marken etwas ändern.
Zu groß, um sich ignorieren zu lassen
Das Bestreben, das Einkaufserlebnis komplett selbst in die Hand nehmen und die Kund:innen ungefiltert erreichen zu wollen, ist durchaus nachvollziehbar. Doch wer heute erfolgreich wachsen will, braucht die großen digitalen Plattformen. Und keine ist so mächtig wie Amazon. Punkt.
Nikes Comeback verdeutlicht: Selbst starke Marken kommen nicht um Amazon herum, auch wenn das für sie bedeutet, Kompromisse in Kauf nehmen zu müssen. Die Plattform ist einfach zu groß, zu etabliert, zu dominant, um sie dauerhaft zu ignorieren. Sie ist längst Teil der Grundversorgung im Onlinehandel. Wer draußen bleibt, wird abgestraft.
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