Das Ende des „de minimis“-Schlupflochs
Es ist eine der ersten Amtshandlungen von US-Präsident Trump in seiner zweiten Amtszeit: Die Erhöhung der Zölle auf Importe aus China um 10 Prozent. China reagierte bereits mit Gegenmaßnahmen. Gleichzeitig mit der Erhöhung der Zollgebühren lässt Trump das sogenannte „de minimis“-Schlupfloch schließen. Bisher konnten Unternehmen dank dieser Regelung Waren unter dem Wert von 800 US-Dollar zollfrei in die USA importieren. Ein Vorteil, von dem besonders chinesische Verkäufer auf Plattformen wie Temu und Shein profitierten (s. Retail News) – und natürlich auch auf Amazon.com.
Was bedeutet die „de minimis“-Aufhebung für Temu, Shein und Co.?
Chinesische Onlineplattformen wie Temu und Shein bauen ihr Geschäftsmodell darauf, dass Händler ihre Produkte aus China direkt an die Kund:innen versenden. Dank der „de minimis“-Regelung konnten sie in den USA dabei bislang Einfuhrzölle – und entsprechende Zollkontrollen – umgehen. Die chinesischen Billiganbieter haben sich mit unschlagbaren Preisen und aggressiven Werbemaßnahmen in Rekordzeit auf den Onlinemärkten in den USA und Europa etabliert und sind so zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für Amazon geworden (wir berichteten u.a. hier: Temu erobert Europa). Jetzt geraten sie unter Druck: Mit der „de minimis“-Aufhebung müssen sie künftig auch für Importe von geringem Wert Zölle entrichten, insofern sie kein eigenes Warenlager in den USA betreiben. Und das könnte teuer für sie werden. CNBC zufolge prognostizieren Analysten, dass die Aufhebung der „de minimis“-Regelung die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen grundlegend verändern könnte. Erst letztes Jahr hatte Temu damit begonnen, Produkte nicht mehr nur direkt an die Endkund:innen, sondern auch über Logistikzentren in den USA zu vertreiben.
Amazon als Nutznießer oder Verlierer?
Die Schließung des „de minimis“-Schlupflochs betrifft natürlich nicht nur chinesische E-Commerce-Plattformen. Auch auf Amazons internationalen Marktplätzen steigt der Anteil chinesischer Seller seit Jahren kontinuierlich an. MarketPlace Pulse zufolge bildeten sie 2024 mit mehr als 50 % Marktanteil sogar die Mehrheit der Top-Seller auf Amazon, während der Anteil an US-Sellern erstmals unter die 50 %-Marke schrumpfte. Dieser Trend, der sich laut MarketPlace Pulse bereits seit einigen Jahren abzeichnet, könnte durch die neue Zollregelung jetzt eingedämmt werden. Denn mit erhöhten Zollgebühren auf sämtliche Importe stellt sich die Frage, für wie viele der chinesischen Seller sich der Handel auf Amazon.com weiterhin lohnt. US-amerikanischen Händlern hingegen eröffnet sich dadurch die Chance, auf Amazon.com wieder an Boden zurückzugewinnen.
Was der mögliche Verlust chinesischer Händler für Amazon bedeutet, bleibt abzuwarten. Zumindest im Konkurrenzkampf mit Temu und Shein könnte Amazon von der Aufhebung der „de-minimis“-Regelung profitieren, denn im Gegensatz zur chinesischen Konkurrenz verfügt der amerikanische E-Commerce-Riese bereits über eine etablierte Logistik-Infrastruktur. Temu und Shein dagegen beginnen gerade erst damit, eigene Lager- und Logistikzentren in den USA aufzubauen – ein kostspieliger und zeitaufwendiger Prozess.
Fazit
Es wird spannend sein zu sehen, wie sich Trumps Zollpolitik mittel- und langfristig auf Amazon auswirken wird. Besonders in einer Zeit, in der sich Beobachter fragen, ob das Unternehmen nicht bereits seinen Zenit überschritten hat. Eine mögliche Abkehr chinesischer Händler von Amazon.com dürfte sich spürbar auf Amazon auswirken, denn diese tragen inzwischen wesentlich zu Amazons Umsätzen bei, vor allem durch Werbeeinnahmen und Händlerkommissionen. Nicht ohne Grund schien es, als hätte Amazon chinesischen Sellern seit Jahren den Hof gemacht.
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